Sucht und psychische Störungen
Psychische Störungen und Abhängigkeitserkrankungen treten häufig gemeinsam auf. Laut einer Studie von Lieb und Isensee von 2002 leiden 30-50% der Menschen mit Substanzmissbrauch- oder abhängigkeit auch an einer psychischen Störung.
Generell unterscheidet man zwischen:
- Psychischen Störungen, die als direkte Folge von Substanzkonsum auftreten und sich meist innerhalb einiger Wochen/Monate Abstinenz wieder zurückbilden; jedoch auch bleibende Störungen (siehe Psychose) sind möglich (substanzinduzierte Störung)
- Psychischen Störungen, die schon vor Substanzabhängigkeit bestanden, sich gleichzeitig oder nach dem Konsum entwickeln und auch bei Abstinenz weiter bestehen (Doppeldiagnosen).
Bei Doppeldiagnosen ist oft schwer festzustellen, ob
- der Substanzkonsum (z.B. Alkohol) ursprünglich zur „Selbstmedikation“ eines psychischen Problems (z.B. Depressionen) dient
- sich z.B. depressive Phasen in Folge des Alkoholkonsums entwickeln
- oder andere Faktoren beides bedingen
- Substanzabhängigkeit und psychische Störung stehen auch oft in Wechselwirkung (z.B. kann Niedergeschlagenheit bei Depression Cannabiskonsum fördern, der wiederum die Antriebsstörung der Depression verstärken kann)
Depressionen
Hauptsymptome:
- Niedergeschlagenheit, innere Leere
- Interessenverlust, Freudlosigkeit
- Antriebslosigkeit
Zusätzlich können auftreten:
- Veränderung des Appetits
- der Schlafgewohnheiten (z.B. Einschlafstörungen, nächtliches Erwachen oder übermäßiger Schlaf)
- Erschöpfungszustände
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit bis hin zu Suizidgedanken.
Ein in Teilen ähnliches Störungsbild beschreibt die bipolare Störung, auch bekannt als manisch-depressive Erkrankung.
Angststörungen
Bei einer Angststörung werden Alkohol, Benzodiazepine oder andere Substanzen häufig als Versuch der Selbstmedikation eingesetzt; meist mit der Folge, dass sich die Angst langfristig verstärkt und es zu einer wechselseitigen Verschlimmerung kommt.
Es können jedoch auch substanzinduziert Angstsymptome auftreten (so werden gerade bei Kokain, LSD und Amphetaminen häufig Panikattacken oder Angstzustände während des akuten Konsums berichtet, die in manchen Fällen auch anhaltend bestehen) oder aber sich unabhängig von Konsum eine Angststörung entwickeln.
Wie bei allen psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit Substanzgebrauch-, missbrauch oder -abhängigkeit stehen, ist die Entwicklung der Angstsymptomatik oft nicht eindeutig zurückzuführen.
Generelle Angstsymptome: Herzklopfen, Pulsbeschleunigung, Schwindel, Schweißausbruch, Zittern, Beben, Mundtrockenheit, Hitzewallungen, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Brustschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Benommenheit, Angst zu sterben etc.
Zum Komplex der Angststörungen gehören verschiedene Störungsbilder wie z.B. die
Psychotische Störungen
Die schizophrene Psychose ist die am häufigsten auftretende Psychose im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum. Bei circa der Hälfte aller Menschen mit schizophrener Psychose findet sich ein gleichzeitiger Substanzmissbrauch bzw. Substanzabhängigkeit.
Die umgangssprachliche Bezeichnung der „Persönlichkeitsspaltung“ ist irreführend und beschreibt ein anderes Störungsbild.
Psychosen sind schwere geistige Störungen, die betroffene Personen in ihrer Realitätswahrnehmung, wie auch in ihrem Denken und Erleben beeinträchtigen.
Symptome schizophrener Psychosen:
- Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung, Gedankenentzug
- Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, gestörte Wahrnehmung von Körperbewegungen oder Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen, Wahnwahrnehmung
- Kommentierende Stimmen, die über den Betroffenen oder sein Verhalten sprechen, über ihn sprechen oder aus verschiedenen Körperteilen zu kommen scheinen
- Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer (bizzarer) Wahn, wie der, eine religiöse oder politische Persönlichkeit zu sein, übermenschliche Kräfte oder Fähigkeiten zu besitzen (z.B. im Kontakt mit Außerirdischen zu sein)
- Anhaltender Wahn jeder Sinnesmodalität (Bestimmung des Denkens)
- Erfindungsideen, Gedankenabrisse oder Einschiebung, Zerfahrenheit, Danebenreden
- Katatone (krampfhafte) Symptome wie Erregung mit zusätzlichen Wahnvorstellungen, Trotzverhalten, Mutismus (psychisch bedingte Stummheit), Stupor
- Apathie, Sprachverarmung, verflachter oder unangemessener Affekt, wobei sicher sein muss, dass diese Phänomene weder durch eine Depression noch medikamentös bedingt sind
Substanzinduzierte Psychose
Eine substanzinduzierte Psychose (auch bekannt als Drogenpsychose oder drogeninduzierte Psychose) ist eine psychotische Störung, die durch den Konsum von einer oder mehrerer psychotroper Substanzen (z.B. Alkohol, Cannabinoide, Amphetamin, LSD etc.) ausgelöst wurde. Substanzinduzierte Psychosen können vorübergehend sein, sich unter Umständen aber auch dauerhaft manifestieren.
- auftreten akuter psychotischer Symptomatik nach Einnahme von Halluzinogenen, Kokain oder Cannabis
- abnorm verlängerte Rauschzustände
- nach drogenfreiem Intervall wiederkehrende psychotische Episoden (Flashback)
- Psychosen mit schizophrener oder schizophrenieähnlicher Symptomatik nach Halluzinogenkonsum
Es werden verschiedene Ursachen schizophrener Psychosen in Zusammenhang mit Drogenkonsum vermutet:
- Drogen als wesentliche Ursache (neurotoxisch)
- Drogen als Auslöser einer Schizophrenie bei entsprechend veranlagten Personen
- Unabhängig vom Drogenkonsum sich manifestierende Schizophrenie
Um auszuschließen, dass es sich um eine substanzinduzierte psychotische Störung handelt, können folgende Hinweise hilfreich sein:
- Auftreten der Symptomatik vor dem Beginn der Substanzeinnahme, nicht substanzinduzierte psychotische Episoden in der Vorgeschichte
- Auftreten der Symptomatik über eine beträchtliche Zeitspanne nach Beendigung des akuten Entzugs.
Cannabis und Psychosen
Cannabis steht im Verdacht, sowohl das Auftreten einer schizophrenen Psychose bei dementsprechend veranlagten Personen zu beschleunigen, als auch den Verlauf einer psychotischen Erkrankung ungünstig zu beeinflussen. Es wird davon ausgegangen, dass eine schizophrene Erkrankung bei einer dementsprechend veranlagten Person durch einen sogenannten Stressor ausgelöst werden kann. Ein solcher Stressor kann Cannabis sein. In der Medizin werden verschiedene drogeninduzierte Wirkmechanismen für Psychosen angenommen:
- Cannabis kann eine toxische Psychose verursachen, die nach Absetzen der Droge verschwindet
- Cannabis kann bei entsprechend veranlagten Personen eine Psychose (vor allem eine schizophrene Psychose) auslösen, die auch nach Abstinenz bestehen bleibt
- Cannabis kann bei einer vorliegenden schizophrenen Psychose Rezidive auslösen und den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen